Hass ist keine Meinung! Der Europa-Abgeordnete Romeo Franz engagiert sich unter dem Motto „Dem Rassismus keinen Platz“ für Vielfalt und Integration.
„Ich kann Ungerechtigkeit nur schwer ertragen, deswegen habe ich mich dafür entschieden, mein Leben lang für eine gerechtere Welt zu streiten, damit irgendwann jeder Mensch eine Chance auf eine gleichberechtigte Teilhabe bekommt, um ein menschenwürdiges Leben zu führen.“
Romeo Franz gehört selbst der größten Minderheit in Europa an: Sinti und Roma werden europaweit immer noch diskriminiert; und auch die rechten Stammtischparolen kennt er nur allzu gut. Im Europäischen Parlament arbeitet er insbesondere in den Schwerpunkten Minderheitenschutz, Inneres und Kultur.
Als Hauptverantwortlicher bei den Grünen für Erasmus+ kämpft er dafür, dass Europa auch für alle diejenigen erlebbar ist, die eher am Rande unserer Gesellschaft stehen und aus einem bildungsfernen Umfeld kommen. Erasmus+ ist das EU-Programm für allgemeine und berufliche Bildung, Jugend und Sport – ohne Altersbeschränkung.
Romeo Franz kam trotz der langen Fahrt aus Brüssel aufgeräumt und guter Laune pünktlich im F23 an und wurde vom Gastgeber, Siggi Kögel sowie vom Vorstand des Kreisverbands der Grünen, Esther Kießling, willkommen geheißen.
Die Einführung von Elvira Schäffer-Hornbach schuf den regionalen Bezug im Kreis Freudenstadt: Lützenhardt hat eine von den Jenischen geprägte Geschichte – sie reisen kaum noch, aber die grundsätzliche Situation der gesellschaftliche Marginalisierung (reduzierten Chancen auf dem Arbeitsmarkt, Wohnsituation und Bildungsmöglichkeiten) besteht bis heute.
Hier konnte Romeo Franz direkt anschließen: Er selbst beispielsweise als Sinto ist Christ, andere sind Muslime etc.; Menschen, die aufgrund von rassistischen Vorurteilen von der Gesellschaft eher ausgeschlossen wurden und es nun „geschafft haben“, verleugnen oft ihre Herkunft und Kultur. Er nannte ein aktuelles Beispiel eines bekannten Geschäftsmannes, der annehmen muss, dass sein gesellschaftlicher Erfolg dahin ist, wenn bekannt wird, dass er den Roma angehört – und daher verschweigt. Um die „Verkleidung“ komplett zu machen, ist er CDU-Mitglied.
Romeo Franz erläuterte danach seine Arbeit in Brüssel: Was es selbst für einen Abgeordneten alles bedarf, um eine Legislative in Gang zu setzen, ist enorm und entrang ihm am Schluß den Seufzer: Wie soll man so viel, was wirklich wichtig zu tun ist, in den fünf Jahren schaffen?
Was er bis dato erreicht hat, ist nichtsdestotrotz bemerkenswert und kann nur mit seiner Leidenschaft und Hingabe zu dem Thema erklärt werden:
Unmenschliche Lebensbedingungen, Segregation und Diskriminierung sind die traurige Realität für die große Mehrheit der schätzungsweise 10-12 Millionen Menschen mit Romanes-Hintergrund, die heute in Europa leben. Antiziganismus, rassistische Vorurteile, soziale Ausgrenzung und Armut bilden für viele Angehörige der größten ethnischen Minderheit Europas einen Teufelskreis, aus dem es schwer ist zu entkommen.
Dies betrifft leider auch Flüchtlinge aus der Ukraine. So wurden mehrfach hellhäutige, europäisch aussehende Flüchtlinge an Bahnhöfen (in München, Kassel) bevorzugt behandelt und dunkelhäutige oder eher traditionell gekleidete Menschen (besonders Frauen und Kinder) separiert, festgehalten und mit Schäferhunden in Schach gehalten. Und später in eher weniger akzeptable Unterkünfte gebracht.
Dazu gibt es auch genügend Presseartikel. Trotzdem ist es eher erstaunlich, dass Sicherheitsbeamte der Bahn nicht entsprechend sensibilisiert wurden – wenn man die Geschichte der ehemaligen Reichsbahn bedenkt.
Die Diskussion wurde eröffnet und eine Flüchtlingsfamilie mit offensichtlichem Romanes-Hintergrund wurde von einer Teilnehmerin der Flüchtlingshilfe erwähnt … „Wir haben mit Engelszungen mit der Schule gesprochen, die Lehrer waren gewillt… es hat trotzdem nichts genutzt“. Die Kinder konnten trotz viel Einsatz eher nicht integriert werden.
Romeo Franz bat hier, auch die verschiedenen sozialen Schichten mit in Betracht zu ziehen … gerade, wenn man an der Teilhabe der Gesellschaft bisher ausgeschlossen war – wie soll man nun sich ganz schnell „umsozialisieren“, wenn das komplett unbekanntes Terrain ist? An praktischer Hilfe verwies er auf lokale Organisationen, die in einem solchen Fall zur Verfügung stehen, samt Kontaktadressen.
Andere Teilnehmer erwähnten ähnliche Erfahrungen mit syrischen Flüchtlingen: Wohlgemeint seitens des Landratsamtes unter einem Dach untergebracht, war die eine Familie aus der Mittelschicht und eher rasch integrierbar, die andere sehr problematisch: Der Mann schlug seine Frau und diese wusste nichts von hiesigen Gesetzen dazu, der kleine Sohn war sichtlich verstört und zog sich zurück – Integrationsaussichten eher herausfordernd.
Hier sind Nationalitäten und Zugehörigkeiten zu Volksgruppen nicht allein entscheidend. Aber ob Zugang zu Bildung und Integration überhaupt möglich ist, kann durchaus an Rassismus im Umfeld liegen – ob im Herkunftsland oder vor Ort.
Es wurde bedauert, dass keine Jugendlichen vor Ort waren. Durch Mobbing und Vorurteile sind auch sie oft in einer Situation, wo sie ausgegrenzt oder benachteiligt werden.
Jeder von uns kann plötzlich beispielsweise durch einen Unfall oder persönliche Umstände in eine Situation geraten, wo eine Mitwirkung an der Gesellschaft nicht mehr vollständig möglich ist.
Damit ist eine Handhabe dazu umso wichtiger, um allen einen Anspruch auf Teilhabe zu bieten: Wir machen unsere Gesellschaft sicherer und involvieren Menschlichkeit.
Nach der lebhaften Diskussion wurde Romeo Franz herzlich verabschiedet – mit hoffentlich der Aussicht auf ein sehr spätes Abendessen und ein paar Stunden erholsamen Schlaf.
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