(Es gilt das gesprochene Wort im Kreistag am 06.12.2021)
Meine Damen und Herren, sehr geehrter Herr Landrat,
Die Lage ist ernst. In dieser schweren Zeit danken wir Ihnen Herr Landrat Dr. Rückert und Ihrem Team, insbesondere Herrn Bischof, für die sicher nicht leichte Erstellung dieses Haushalts und ihre Arbeit in Coronazeiten.
Der Kreis nimmt Zukunftsvorsorge ernst. Die Investitionen in den Teilneubau des Krankenhauses müssen über Schulden finanziert werden.
Das Defizit der KLF erreicht schwindelerregende Höhen. (Scheckaktion, s. Presseartikel unten)
Für den notwendigen Ausbau des Glasfasernetzes müssen ebenfalls Schulden in Millionenhöhe aufgenommen werden.
Der Kreis nimmt auch Fürsorge ernst. Die Ausgaben für Sozialleistungen steigen berechtigterweise. Alles, was nicht über Einnahmen oder Ausgleichszahlungen von Land und Bund finanziert ist, tragen die Kommunen als Last in Form der Kreisumlage, sodass andere, gleichfalls notwendige Investitionen, vor allem im ökologischen und im sozialen Bereich kaum mehr möglich scheinen.
Unter diesen Bedingungen dürfen wir das Ziel, ernsthaft dem Klimawandel entgegenzuwirken, nicht aus den Augen verlieren.
Die Verwaltung hat in vielen Bereichen gute Arbeit geleistet, um klimapolitisch voranzukommen. Wir danken stellvertretend insbesondere Frau Lucha für die Arbeit am Leitstern Energieeffizienz, Herrn Bohnet und Herrn Geiser für das energiepolitische Arbeitsprogramm und die Arbeit am Nachhaltigkeitsprogramm des Landkreises. Bedauerlicherweise wurden jedoch geplante Investitionen in Millionenhöhe auf Folgejahre verschoben. Viel zu wenig Geld steht für die Umsetzung zur Verfügung.
Auch wenn es hart klingt:
Der Haushalt 2022 ist daher in der jetzigen Form eine klimapolitische Bankrotterklärung. Dies gilt ausdrücklich nur für die finanzielle Situation.
Das Bundesverfassungsgerichtsurteil zum unzulänglichen Klimaschutzgesetz der alten Bundesregierung weist einen eindeutigen Weg: Wir sind verantwortlich für die Zukunft unserer Kinder und dürfen die harten Fakten des Klimawandels nicht ignorieren und so unsere Existenz und die der Jugend zerstören. Folgen des Klimawandels sind über Gesundheitsprobleme und Überschwemmungen längst bei uns angekommen.
Wer glaubt, wir hätten Zeit, irrt.
Corona sollte uns lehren: Wir haben keine.
Meine Damen und Herren, bei aller Mittelknappheit, die Lage ist ernst, dennoch sind Mittel für eine klimapolitische Offensive des Kreises vorhanden.
Die Verantwortlichen der EnBW und mit ihr die OEW haben zusammen mit der grünen Landesregierung beispielhaft den Umbau von einer auf Atomkraft bauenden Gesellschaft zu einer ökologisch und nachhaltig orientierten Gesellschaft geschafft. Es wurde in diesem Gremium von anderer Seite nach dem Beschluss der Bundesregierung, aus der Atomkraft auszusteigen, lautstark der Verkauf der Anteile an der OEW beantragt. Die OEW macht heute mehr Gewinn als vor dem Umbau und wir können uns über eine Dividende von etwas mehr als 2 Mio € im Haushalt freuen. Dies, obwohl demnächst das letzte Atomkraftwerk in Baden-Württemberg abgeschaltet wird. Einzig die Schließung kleinerer Wasserkraftwerke in der Vergangenheit stößt sauer auf.
Meine Damen und Herren, diese 2 Mio € müssen unserer Meinung nach als Zukunftsvorsorge in klimapolitische Maßnahmen des Kreises fließen. Dazu gehört auch die Einstellung von dafür nötigem Fachpersonal.
Was fehlt, sind auch mehr Mittel für den ÖPNV.
Corona hat Auswirkungen auf die Weiterentwicklung des ÖPNV Konzepts des Kreistags zu einer Pause gezwungen. Wir freuen uns darüber, dass unser Landkreis als eine von fünf Modellregionen in Baden- Württemberg ab 2022 Landesmittel erhalten wird und über die guten Planungen für unser bereits beschlossenes integriertes Nahverkehrskonzept. Es muss zügig umgesetzt werden. Lassen sie uns gemeinsam zu unserem ÖPNV stehen. Dem Probelauf des Kreises Calw, den Wochenendverkehr kostenlos anzubieten, sollten wir uns anschließen. Wäre es nicht zielführend, die oft wenig genutzten Busse am Wochenende zu füllen? Die Mindereinnahmen scheinen sich ja nach den Angaben aus Calw im Rahmen zu halten. In Calw sind dafür etwa 270TSD € veranschlagt, das müssen wir uns auch leisten können.
Wir beantragen deshalb, sich dem Versuch des Kreises Calw anzuschließen und vorerst für ein Jahr den ÖPNV am Wochenende für alle kostenfrei anzubieten.
Was fehlt, sind Mittel für die energetische Sanierung der Kreisgebäude. Die bereits vorgesehenen Mittel in Höhe von 1 Mio € für von Gutachten bestätigte notwendige energetische Sanierungsmaßnahmen an Kreisgebäuden sind – wie gesagt – in diesem Jahr gestrichen, obwohl sie schon auf ein Minimum reduziert wurden. Das ist nicht nur klimapolitisch verwerflich, es widerspricht auch der Fürsorgepflicht gegenüber den Mitarbeitern.
- Das verabschiedete Nachhaltigkeitsprogramm des Landkreises darf kein leeres Versprechen bleiben. Wir müssen 2022 weitere Maßnahmen ergreifen.
- Das „Energiepolitische Arbeitsprogramm“ im Zusammenhang mit dem „european energy award“ wartet ebenfalls weitere Möglichkeiten der Umsetzung. Die Verwaltung hat ausgezeichnete Vorschläge beispielsweise für einen Weg zur CO2 Neutralität, vorgestellt, von denen viele schon längst hätten angepackt oder abgeschlossen sein sollen, es müssen mehr Mittel bereitgestellt werden, um sie umzusetzen.
- Wir brauchen auch mehr Fachpersonal, das sich auf kreisebene mit elementar wichti- gen ökologischen Zusammenhängen und Problemen befasst und Lösungen sucht. Im Bereich Wasser und Bodenschutz beobachteten Bianca Gruber und Elisabeth Wehle bereits gravierende Auswirkungen des Klimawandels auf die Gewässer und das Grundwasser im Landkreis. Wir erleben den Klimawandel auch bei uns.
- Wir beantragen deshalb, für die hier genannten Maßnahmen Mittel aus der OEW Dividende von mindestens einer Million € durch Umschichtungen bereitzustellen. Die Bürgermeister brauchen ebenfalls Geld für solche Maßnahmen in den Gemeinden. Das ist unbestritten. Wer allerdings zulässt, dass die Krankenhauspolitik der alten Bundesregierung – und das auch unabhängig von Coronamaßnahmen – die Defizite von Krankenhäusern in existenzgefährdende Höhen treibt, die dann in Form der Kreisumlage die Städte und Gemeinden treffen, der hat sich mitschuldig gemacht. Wir müssen in die Zukunft schauen und gemeinsam von der neuen Regierung Änderungen der Krankenhausfinanzierung einfordern, wie es die Resolution des Kreistags zum Ausdruck bringt.
Ein Lichtblick im Haushalt ist, dass die Budgets der Schulen nicht gekürzt werden. Wir Grünen unterstützen dies. Die IT Ausstattung braucht weitere Verbesserungen. Es steigt aber auch die Zahlen der Schüler und Schülerinnen, die gravierende Wissenslücken aufweisen und die Zahl derjenigen, die keinen Schul- oder Ausbildungsabschluss machen. Menschen brauchen nicht nur technische Geräte, gerade Kinder und ihre Familien brauchen Be- rater und helfende Begleiter. Wir dürfen im Kreis nicht aufhören, unsere zahlreichen gut arbeitenden sozialen Einrichtungen zu unterstützen. Wir dürfen hier nicht sparen, auch wenn die Ausgaben im Sozial- und Jugendhilfebereich steigen. Auch Pflegekräfte müssen dringend weiter unterstützt werden. Wir brauchen sie hier bei uns.
Der soziale Frieden im Kreis hängt auch davon ab, ob wir es schaffen, dass Wohnen für alle bezahlbar bleibt. Es kann nicht sein, dass einerseits Wohnungen leer stehen und andererseits Menschen, auch Kinder, von Wohnsitzlosigkeit bedroht sind. Der Kreis muss hier vermitteln und Bemühungen unterstützen, sozialen Wohnungsbau fördern.
„Migranten haben einen hohen Anteil am wirtschaftlichen Aufstieg Deutschlands“, so die alte Bundesregierung. Dass man Asylbewerbern, die erfolgreich integriert sind, per Beschluss des Kreistages die Finanzierung von Volkshochschulkursen verweigerte, die sie fit für die sprachlichen Anforderungen der Betriebe machen sollten, ist vor allem in Hinblick auf den Fachkräftemangel auch wirtschaftlich unverantwortlich.
Am Schluss soll noch einmal unser Krankenhaus im Fokus stehen:
Hier muss ein politisches und gesellschaftliches Umdenken stattfinden. Krankenhäuser dürfen nicht als Wirtschaftsbetrieb behandelt werden, sie müssen Allgemeingut sein. Sie müssen uns etwas wert sein. Transparenz und eine wertschätzende Öffentlichkeitsarbeit sind genauso wichtig wie gute Bezahlung der Ärzte und Pflegenden und wie die Ausbildung vor Ort. Wir Grüne stehen weiterhin zu unserem Krankenhaus.
Unser Dank in besonderen Covid-19-Zeiten gilt nochmals allen Bürgerinnen und Bürgern und der Verwaltung.
Wolf Hoffmann,
Fraktionsvorsitzender Kreisrat Grüne
Und hier das Presseecho mit Update und Foto der Scheckaktion:
SWP:
https://www.neckar-chronik.de/Nachrichten/Kreisumlage-soll-in-den-naechsten-Jahren-steigen-527521.html
Schwarzwälder Bote:
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