„Grüner Treffpunkt“ zum 1,5°C-Klimaziel

In der offenen Diskussionsreihe „Grüner Treffpunkt“ trafen sich am 16.12.2020 digital 20 Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu einem brisanten Thema, der im Grundsatzprogramm der Grünen festgelegten Verpflichtung auf die Einhaltung des 1,5°C-Zieles.

Gäste waren Heike Schick von Extinction Rebellion und Fabian Kramer, der Fridays for future Freudenstadt vertrat.

Artensterben, klimatische Schockereignisse und deren negative Auswirkungen auf den Planeten sind vorgezeichnet. Die Aussichten sind erschreckend, darüber stimmten die Teilnehmer*innen überein.

Steigt die Temperatur im Vergleich zur vorindustriellen Zeit im globalen Durchschnitt nur um 1,5 Grad, da sind sich die Wissenschaftler*innen einig, fallen der Meeresspiegelanstieg, der Rückgang von Ökosystemen und die Zunahmen bei Extremwetterereignissen deutlich geringer aus, als wenn der Anstieg 2 Grad beträgt. Auch die Wahrscheinlichkeit, dass irreversible Kipppunkte im Klimasystem überschritten werden, etwa wenn Eisschilde abschmelzen oder Methan aus dem Permafrost freigesetzt wird, nimmt oberhalb von 1,5 Grad deutlich zu.

Naturkatastrophen, Hunger und Kriege werden dramatisch zunehmen, falls die Erde 1,5 Grad wärmer wird als zu vorindustriellen Zeiten. Ist das noch zu verhindern? Was passiert, wenn große Teile Afrikas nicht mehr bewohnbar sind und sich die Menschen auf den Weg zum Überleben machen?

Von Gegnern des 1,5-Grad-Ziels wird oft behauptet: „Deutschlands Anteil am weltweiten CO2-Ausstoß hat sich halbiert. Deutschland liegt in der Liste der größten Emittenten auf Platz 6, trägt aber nur 2,3 Prozent bei. Das zeigt, dass Deutschland im Alleingang den mit den Treibhausgasen verbundenen Klimawandel nicht aufhalten kann. Nur zusammen mit der internationalen Gemeinschaft können die Emissionen signifikant reduziert werden.“

Diese Darstellung enthält verschiedene interessante Suggestionen. Bereits der erste Satz lässt vermuten, dass die deutschen Emissionen sich (seit 1990) halbiert haben und Deutschland somit bei den Klimaschutzbemühungen ganz vorne steht, weiter unten wird suggeriert, dass Deutschland dabei ganz alleine dasteht. Die Emissionen vieler Entwicklungs- und Schwellenländer sind – auch durch die deutsche Nachfrage nach deren Produkten – deutlich angestiegen. Damit hat auch der weltweite Treibhausgasausstoß stark zugenommen, sodass der Anteil Deutschlands an den Gesamtemissionen gesunken ist. Darüber hinaus sind die reinen CO2-Emissionen in Deutschland zwischen 1990 und 2017 nur von 1053 Megatonnen auf 798 Megatonnen, also um 24,2 Prozent gefallen. Ein größerer Teil dieses Emissionsrückganges ist zudem auf wirtschaftliche Umbrüche in den neuen Bundesländern nach der Wiedervereinigung und nicht auf Klimaschutzmaßnahmen zurückzuführen.

Es gibt zahlreiche andere Länder, die einen größeren Emissionsrückgang haben, z. B. die Ukraine mit 67 Prozent bis 2016 durch wirtschaftliche Einbrüche und Großbritannien mit 34 Prozent ohne derartige Einbrüche.

Deutschland hat im Bereich des Klimaschutzes und der Energiewende große Versprechungen gemacht. Merkel ließ sich als „Klimakanzlerin“ feiern, geliefert hat ihre Regierung jedoch nicht viel. Viele wirtschaftlich schwächere Länder richten ihre Klimaschutzbemühungen auch an Deutschland aus. Ein Beispiel dafür ist das Erneuerbare Energien Gesetz, das von zahlreichen anderen Ländern in eigene Gesetze übertragen wurde. Setzt Deutschland erfolgreich Klimaschutzmaßnahmen um, dürfte eine Vielzahl an Ländern dem Beispiel folgen. Mit ambitionierten Klimaschutzmaßnahmen kann Deutschland folglich einen großen Hebel entwickeln und hat damit ähnlich große Einsparpotenziale wie die USA und China, die beiden Länder mit den größten Emissionen. Außerdem liegt der Pro-Kopf-Ausstoß an Treibhausgasen in Deutschland immer noch bei etwa dem Doppelten des Weltdurchschnitts. Darum haben wir in Deutschland eine größere Verantwortung als die meisten anderen Länder. Im Climate Change Performance Index 2019, der die Klimaschutzbemühungen einzelner Länder bewertet, liegt Deutschland nur noch auf Platz 19 hinter Ländern wie der Ukraine, Ägypten oder Rumänien.

Deutschland liegt mit seinen Klimaschutzbemühungen nur noch im Mittelfeld. Geringe Klimaschutzstandards verhindern auf der anderen Seite aber auch Innovationen und eine schnelle Einführung von Zukunftstechnologien. Aber genau das ist zur Sicherung des Wirtschaftsstandortes Deutschland erforderlich. Durch die zögerliche Klimaschutzpolitik wurden in Deutschland bereits zahlreiche zukunftsfähige Arbeitsplätze in der Photovoltaikbranche vernichtet. Weitere Arbeitsplätze in der Wind- und Automobilbranche und deren Zulieferer sind akut gefährdet.

Fazit ist, dass Deutschland durch seine Vorbildfunktion und technologischen Entwicklungen hier an die Weltspitze kommen muss. Es genügt nicht, immer nur auf die anderen zu zeigen, sondern vorzumachen, dass es geht und sich dieses sogar wirtschaftlich auszahlt. Während der Diskussion wurde deutlich, dass die Aufnahme des Klimaziels in das Grundsatzprogramm der Grünen sinnvoll ist und es zu dessen Durchsetzung starker grüner Wahlergebnisse bedarf.

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