Haushaltsrede Kreistag 10.12.2023

Die Ablehnung des Kreistags, Volkshochschulgelder für Kurse „Deutsch am Arbeitsplatz“ bereitzustellen, war ein großer Fehler!

10.12.2023 (Es gilt das gesprochene Wort im Kreistag!)

Sehr geehrter Herr Landrat, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wir alle sehnen uns nach Frieden, aber es gibt keine Normalität im alten Sinne mehr.

Zu klagen und auf „die da oben“ zu schimpfen ist allerdings keine Lösung. Wir sollten uns vor Ort trotz aller Probleme unserer privilegierten Situation bewusst sein. Es ist das 19. Mal, dass ich einen Kreishaushaltsplan begleiten darf. Egal welche Regierung in Bund und Land regierte, geklagt wurde immer.

Es wird Zeit, das Positive in den Vordergrund stellen, ohne zu beschönigen: Die Menschen in unserem Kreis bekommen ein neues hochmodernes Krankenhaus im Wert von 100 Millionen Euro. Dass die 10 Mio. Defizit des Hauses in diesem Jahr den Kreis an den Rand der Überforderung bringen, muss klar gesagt werden. Tatsache bleibt, dass dieses Haus und seine Leistungen unserer Bevölkerung zugutekommen, auch wenn es gegen unseren Willen keine Krone in Form eines Solardachs hat.

Über zwölf Millionen Euro investiert hat der Kreis auch beim Backbonenetz. Es bildet jetzt die Grundlage für Glasfaseranschlüsse an jedes Haus im ganzen Kreis, die wiederum mit Millionenbeträgen vom Land gefördert werden. Das sind unverzichtbare Zukunftsinvestitionen für die Funktionsfähigkeit unseres Landkreises.

Die Sozialausgaben machen einen Großteil der Millionen aus, die der Kreis finanzieren muss. Sie werden zum großen Teil vom Bund und vom Land ersetzt, dennoch bleibt eine Finanzierungslücke, die uns belastet. Das Bundesteilhabegesetz setzt die Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention um. Durch eine trägerübergreifende Planung sollen die Leistungen wie aus einer Hand erbracht werden. Leider lässt die Umsetzung des Gesetzes im Alltag deutlich zu wünschen übrig. Zu wenig kommt bei den Menschen direkt an. Das kann nicht Sinn des Gesetzes sein. Dennoch sind wir froh, dass sich auch bei uns die Lage von Menschen mit Beeinträchtigungen verbessert, dass sie ernst genommen werden, statt nur Kosten zu bemängeln.

Ähnliches gilt auch für die jetzt bedrohte Kindergrundsicherung. Auch hier gibt es Klagen über bürokratische Hemmnisse der Umsetzung, statt klar zu sagen, wer davon profitieren wird: die Familien mit Kindern in unserem Land! Und ganz nebenbei: Wo hört man laute Zustimmung zum Ruf einiger Superreicher und Erben, die selbst darum bitten, endlich angemessen besteuert zu werden? „Tax me“, besteuert mich endlich, ist deren Stichwort!

Bleiben wir beim Positiven: Das Mobilitätskonzept des Kreises, von der Landesregierung unterstützt, ist einzigartig und ein großer Erfolg, der vom Bürger, im wahrsten Sinne des Wortes, direkt erfahren werden kann. Es bescherte dem Kreis sogar mehr Einnahmen als erwartet. Bauen wir die Möglichkeit, wenn kein Bus kommt, gegen geringes Entgelt das Taxi nutzen zu dürfen, weiter aus!

Froh sind wir Grünen auch darüber, dass bei den Schulbudgets nicht gespart werden soll. Das war in der Vergangenheit schon mal anders.

Durch die vom Landkreis mitgetragene Biogasanlage für unsere Bioabfälle im Kreis, und Hackschnitzelheizungen haben wir einen außergewöhnlich hohen Anteil an regenerativer Energie zur Versorgung der Landkreisgebäude, der weiter gesteigert werden sollte.
Soweit das Positive.

Wir Politikerinnen und Politiker müssen die Herausforderungen dieser Welt als Aufgabe betrachten, die wir im Sinne des Wohls der Menschen lösen müssen. Es stellt sich für uns weiterhin die Jahrhundertaufgabe, den Klimawandel zu begrenzen und die Klimakatastrophe zu verhindern.

Nachhaltigkeit bedeutet Zukunftssicherung. So stehen für Bündnis 90/Die Grünen die Kriterien einer nachhaltigen Entwicklung für die Entscheidungen zum Kreishaushalt erst Recht in Zeiten globaler Krisenlagen ganz oben. Der Kreishaushalt muss die Nachhaltigkeit nicht nur durch Zielvorgaben sondern auch durch Finanzmittel absichern. Die Nachhaltigkeitskonferenzen sind eine gute Möglichkeit, auf diesem Aufgabengebiet voranzukommen. Den vielen Bürgern, die sich einbrachten und Ideen beisteuerten, gilt unser Dank. Es besteht allerdings die Gefahr, dass die Bürger gute Vorschläge einbringen, die sich der harten Realität der Finanzierbarkeit stellen müssen und Bürger enttäuscht sind, wenn ihre Ideen nicht umgesetzt werden.
Statt Anträgen ein paar Anregungen zu einer kreativen Nachhaltigkeitsarbeit des Kreises: Im nächsten Jahr können die Kommunen leichter Windkraftanlagen planen. Die Kreisverwaltung sollte dies nach Kräften unterstützen. Anlagen mit Bürgerbeteiligung sollten absolute Priorität haben.

Die Energiewende beginnt in unseren Köpfen. Wir können mit Spaß und wenig Geld viel verändern und Bewusstsein schaffen.
Wer besitzt die älteste Heizungspumpe im Kreis? Wir schenken ihnen eine Neue. Wer besitzt den ältesten Kühlschrank im Kreis? Wir schenken ihnen einen Neuen. Und was wurde eigentlich aus den vorgestellten guten Vorschlägen der Schulen? Generell: Welche Strom und Heizkosten Sparaktionen sind möglich?

Wir müssen begreifen, dass Öl, Gas und Strom nicht mehr billig zu haben sein werden. Die Eigenversorgung der Kreisverwaltung durch Fotovoltaik und alternative Energiegewinnung ist nicht zufriedenstellend und birgt Risiken für zukünftige Haushalte. Dies gilt besonders für den Haushaltsansatz zur Gebäudesanierung. Hier sparen wir wider besseren Wissens auf Kosten unserer Kinder und Enkel. Dieser Haushaltsansatz müsste dringend um mindestens eine Million angehoben werden. Für die notwendige Anhebung der Kreisumlage um 0,5% sehen wir allerdings nach ablehnenden Entscheidungen des Kreistags in den vergangenen Jahren, keine Mehrheit in diesem Gremium.

Vergessen wir nicht, was der verantwortliche Ökonom auf der Jahresversammlung der OEW sinngemäß sagte: Denken sie daran, warum wir Milliarden in die Energiewende investieren, es geht darum, in Zukunft die Primärenergie aus Sonne und Wind umsonst zu haben und nicht mehr in großem Umfang von Öl, Gas und Uran abhängig zu sein und dafür bezahlen zu müssen!

Wir haben ein Radwegedringlichkeitsprogramm mit so vielen Plänen, dass sie mit dem aktuell zur Verfügung stehenden Geld erst am Nimmerleinstag realisiert werden können. Unser Antrag auf zügige Prüfung, welche Maßnahmen möglich sind, um kurzfristig und außerplanmäßig die Sicherheit von Radfahrern an gefährlichen Bereichen zu verbessern, gilt weiter!
Der letztjährige Antrag der Kontaktaufnahme mit der Regionalwert AG, mit dem Ziel Gründungsmitglied zu werden, muss weiter verfolgt werden.
Regionalwert AGs sind angetreten, das bestehende agrarindustrielle Lebensmittelsystem zu verändern. Sie schaffen gemeinsam mit Bäuerinnen und Bauern, Bürgerinnen und Bürgern eine Landwirtschaft ohne Massentierhaltung, Bienensterben, Nitratbelastungen im Grundwasser, Rückstände von Pestiziden in Lebensmitteln und verhindern Billiglöhne bei der Verarbeitung. Sie schaffen kurze Wege vom Acker auf den Tisch.

Zum Schluss ein Satz zur Flüchtlingsunterbringung: Asylrecht ist Grundrecht. Die Bevölkerung der Bundesrepublik nimmt ohne Zuwanderung jährlich um 200 Tausend Menschen ab. Die geburtenstarken Jahrgänge gehen in Rente. Nutzen wir alle Möglichkeiten, um die Menschen, die mit uns leben wollen, in Arbeit zu bringen! Die Ablehnung des Kreistags, Volkshochschulgelder für Kurse „Deutsch am Arbeitsplatz“ bereitzustellen, war ein großer Fehler!

Bleibt die Frage nach dem Hebesatz, der Städte und Gemeinden belastet. Was braucht der Kreis, um auskömmlich wirtschaften zu können und was ist zumutbar für die Kommunen? Der Streit hierüber ist so alt wie Tarifverhandlungen. Er sollte deshalb nicht von BürgermeisterInnen allein entschieden werden.

Uralt ist auch die Klage, dass Bundesgesetze und Landesgesetze vom Kreis umgesetzt werden müssen, die Kreise aber nicht 100% der Kosten ersetzt bekommen. Ja, das ist so, egal welche Farben die jeweiligen Regierungen hatten. Wenden wir uns also, statt zu klagen, an unsere jeweiligen Abgeordneten.

Wir danken der Verwaltung und insbesondere Herrn Bischof für ihre Arbeit und werden dem Haushaltsplan trotz der angeführten Bedenken zustimmen.

Wolf Hoffmann,
Fraktionsvorsitzender der Grünen im Kreistag Freudenstadt

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