Vor Ort: Minister Winne Hermann zum Bürgergespräch in Freudenstadt

Minister Winfried Hermann sprach am Mittwoch Abend auf Einladung des Kreisverbands der Grünen im Stadthaus von Freudenstadt zum Thema „Verkehrswende in Baden-Württemberg und im Landkreis Freudenstadt“. Gut 100 interessierte Zuschauerinnen und Zuschauer wollten sich Hermanns Vorstellungen von der Mobilitätswende anhören. Die durchaus komplexen Sachverhalte in der Verkehrspolitik brachte Hermann gut verständlich an die Frau und den Mann.

Durch den Abend führte Marc Vogt, und der hatte bereits in seiner Begrüßung verraten, „Winfried Hermann hat fachlich richtig was drauf“.  Das muss er auch, denn sein Resort ist riesig, es umfasst Straßen, Bahn, Busse, Radwege. Häufig ist für Laien unklar, wer denn nun im Land für welche Straße zuständig sei. Und das Dickicht aus den verschiedenen Behörden vom Landratsamt über das Regierungspräsidium, das Land und den Bund sorge auch nicht unbedingt für schnelle Ergebnisse. „Unser Ziel ist, bis im Jahr 2030 den Ausstoß schädlicher Treibhausemissionen um 55 Prozent gegenüber 1990 zu senken“, sagte Hermann. Und schob gleich hinterher, „wir sind auf dem besten Weg, das nicht zu schaffen“. Denn es bedeute, der ÖPNV müsse doppelt so viele Fahrgäste transportieren, jedes zweite Auto und jede zweite Tonne im Güterverkehr soll klimaneutral bewegt werden, die Anzahl der Autos müsse um 20 Prozent sinken und jeder zweite Weg soll zu Fuß oder mit dem Rad zurückgelegt werden. Zudem hätten Studien ergeben, dass der Verkehr zu 70 Prozent Verursacher klimaschädlicher Emissionen sei. In ländlichen Regionen wie dem Kreis Freudenstadt sei die Herausforderung besonders groß, „denn man könne nicht in jedem kleinen Dorf einen Bus fahren lassen“.

Dafür sei das Modellprojekt ÖPNV-Taxi ins Leben gerufen worden, das hier inzwischen nahezu alle Gemeinden umgesetzt haben. Sehr viel Potenzial sieht Hermann im Ausbau der Schiene, ist sich aber bewusst, dass die Bahn über Jahrzehnte vorrangig die profitablen Hochgeschwindigkeitsstrecken zwischen den Großstädten ausgebaut habe. Dabei sei der ländliche Schienenverkehr in der Fläche total vernachlässigt worden. Stolz ist der Minister auf die 46 Regiobuslinien, die während seiner Amtszeit ausgebaut wurden. Das 1200 km lange Netz schließ die Lücken bei der Schiene, allein drei dieser Linien verkehren auch im Kreis Freudenstadt und bringen die Fahrgäste unter anderem in den Nationalpark.

Sehr am Herzen liegt Hermann der Ausbau der Radwege, er hat das Ziel, neben jeder Bundesstraße und Landesstraße einen Radweg bauen zu lassen. Bis dahin ist es noch ein weiter Weg, wie die Diskussion ergab. Walter Hornbach, grüner Gemeinderat in Loßburg und Marianna Michel beklagten den fehlende Radweg an der gerade sanierten Durchgangsstraße B294 bei gleichzeitig hoher Verkehrsbelastung. Hermann kennt das Problem, sagt aber auch „der Verkehr dort ist lästig, aber im Vergleich zu anderen Regionen im Land noch eher wenig“. Dass das Regierungspräsidium den Ausbau eines Randstreifens abgelehnt habe mit der Begründung, „das geht nicht“, sei einfach falsch. „Das muss gehen“, fordert der Minister und empfahl ein Schreiben an sein Ministerium, das dann beim RP nachfragen könne, woran es hakt.
Albrecht Ortmann aus Freudenstadt spricht das insgesamt dünne Radwegenetz im Kreis an. Dafür sollen regionale Radkoordinatoren eingesetzt werden, die sich darum kümmern müssen.

Eberhard Valtinke vertritt die IG Gäubahn und fordert, die zur Diskussion stehende Kappung der Bahn mit Umweg über Vaihingen und dem Bau des 11 Millionen teuren Pfaffensteigtunnel noch einmal zu überdenken. „Die Planung am Flughafen dauert schon gut 20 Jahre, alles wurde als nicht umsetzbar wieder verworfen, dabei muss die Gäubahn dringend ausgebaut werden, sie ist wichtig“ sagt Hermann. Inzwischen gebe es einen Lenkungskreis, der sich für den Erhalt der Bahn einsetzte. Schließlich sieht Hermann diese Strecke auch als wichtige Ausweichstrecke und erinnert an die Bohrungen bei Rastatt, die zu monatelangen Strecken-Sperrungen führten.
Bahnexperte Rudolf Meintl mahnte den Ausbau der Kinzigtalstrecke an, seit 20 Jahren gebe in den Zügen dort nicht einmal Toiletten. Zur Durchfahrt über Freudenstadt ins Murgtal fehle lediglich eine Weiche. Hermann will auf dieser Strecke einen klimaneutralen, also elektrifizierten Zug einsetzen und sagt, „das wird nicht an einer Weiche scheitern“.
Torsten Hopperdietzel beklagt die mangelnde Barrierefreiheit vieler Bushaltestellen in Seewald und Freudenstadt. Der sehbehinderte Besenfelder hatte vergeblich versucht, bei der Stadt Freudenstadt eine Verbesserung der Situation zu erreichen. Hermann verweist auf die Gesetzeslage, „die Kommunen sind verpflichtet, für Barrierefreiheit zu sorgen“.  Der Minister schlug vor, den Landtagsabgeordneten zu informieren, das helfe oft mehr, als wenn ein Bürger frage.
Claudia Nübel schließlich spricht die fehlende Digitalisierung mit vielen weißen Flecken im Kreis an, die eine sinnvolle Steuerung der Parkangebote erschwert. Hermann verweist auf die Zuständigkeit des Bundesverkehrsministers und gibt zu, „da hört man nicht viel“. Lutz Weinbrecht schlägt vor, jedem PKW ein Deutschlandticket zur Verfügung zu stellen, er selbst sei ein großer Fan. Außerdem fordert er dringend, bei der Straßensanierung die Prozesse zu vereinfachen, sie seien viel zu langwierig.
Also jede Menge Hausaufgaben für Minister Hermann bis zum nächsten Besuch in Freudenstadt. 

Der abschließende Applaus war ehrlich, reichlich und verdient!

Hier das Presseecho dazu:
https://www.neckar-chronik.de/Nachrichten/OePNV-im-Kreis-Freudenstadt-einer-besonders-laendlichen-Region-620398.html
https://www.schwarzwaelder-bote.de/inhalt.verkehrsminister-in-freudenstadt-so-will-winfried-hermann-die-klimawende-voranbringen.3592e242-aa99-43c0-8f24-d8201f8be5df.html

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